Die Sängerin Jazz Gitti singt im Garten vor älteren Menschen.

Jazz Gitti: „Ich habe nichts ausgelassen“

Sieben Konzerte spielte und spielt Jazz Gitti in diesem Spätsommer in den Häusern zum Leben. Das Publikum liebt sie. Im Interview nimmt sie sich, wie üblich, kein Blatt vor den Mund.

Jazz Gitti ist gut drauf, wie immer, wenn sie ein Konzert gibt. Vor dem Auftritt im Haus Prater im August nimmt sich die 77-Jährige Zeit für ein paar Fragen. „Ich sage immer: Blöde Fragen, blöde Antworten, gescheite Fragen, blöde Antworten“, sagt die Künstlerin, die mit bürgerlichem Namen Martha Butbul heißt, aber bloß nicht Martha gerufen werden möchte. „Ich wurde immer Gittl gerufen.“ Die Gittl geht gerne auf Menschen zu. Vor dem Konzert sitzt sie auf einer Bank mit zwei Bewohnerinnen. Sie plaudern angeregt. Gitti hat immer einen Schmäh auf den Lippen – auch im Gespräch mit den Häusern zum Leben:

Man sagt, man ist so alt, wie man sich fühlt. Wie alt fühlen Sie sich?

Jazz Gitti: Das ist unterschiedlich. In der Früh, wenn ich aufwache, bin ich 110, wenn ich eine Gaudi habe, bin ich 15. Zeitweise bin ich auch einfach 77.

Ich bin wie ein Oldtimer. Ich habe mich reparieren lassen und jetzt fahre ich wieder.

Fühlen Sie sich so weit fit und gesund?

Jazz Gitti: Ich bin wie ein Oldtimer. Ich habe mich reparieren lassen und jetzt fahre ich wieder. Ich bin Diabetikerin und da ist man nie ganz gesund. Ich war immer sehr dick, das hat verschiedene Organe in meinem Körper belastet. Um das mache ich keinen Bahö. Solange man mich reparieren kann, so dass das Leben lebenswert ist, ist alles in Ordnung.

Wie geht es Ihnen mit dem Älterwerden?

Jazz Gitti: Zeitweise ist es schon ein Problem. Ich war immer eine, die gesagt hat: „Geht nicht, gibt’s nicht, gemma, gemma, schnell, schnell.“ Das geht halt nicht mehr. Das nervt mich. Und manchmal bin ich deshalb auch zwider. Aber auf der Bühne geht es mir gut, da spüre ich nichts. Ich habe heuer auf der Donauinsel gespielt – das war so leiwand. Ich habe zu meinem Publikum gesagt: „Ich danke Euch, mit 77 bin ich auf die Bühne gegangen, mit 67 geh ich von der Bühne.“ Ich sage immer, ein Künstler ist so gut wie sein Publikum und wenn die Leute eine Hetz haben – das taugt mir.

Spielen Sie gerne vor einem älteren Publikum?

Jazz Gitti: Mir ist es wurscht, vor welchem Publikum ich spiele: Jung, alt, mittelalt – das ist mir egal. Wichtig ist, dass die Leute mitmachen – soweit sie halt können und dass sie eine Freude haben mit mir. Das Publikum im Pensionisten-Wohnhaus ist eine andere Art von Publikum. Die können nicht auf und nieder und hin und her. Da muss man sich umstellen. Ich habe schon öfter in den Häusern zum Leben gespielt und die Leute sagen zu mir: „Gitterl, wann kommst du wieder?“

Ich habe vor kurzem bei einem Rock- und Metal-Festival gespielt. Das war Stimmung pur. Die Leute haben eine Gaudi gehabt. Der Veranstalter hat mich schon für nächstes Jahr gebucht. Ich sage immer: „Kränkts eich ned, wenn sie nicht gestorben ist, kommt sie wieder.“ Naja, mit 77 kann es jeden Tag aus sein. Dafür muss man es im Alter noch viel mehr genießen. Weil man eh zum Beispiel nicht mehr so viel essen kann, wie man will. Sex hört sich auch manchmal schon auf. Man kann auch nicht mehr so gut auf den Berg gehen oder wandern und mit der Pension muss man auch auskommen. Deshalb muss man das genießen, was man hat.

Also, Sie haben keine Angst vor dem Sterben?

Jazz Gitti: Nein, die brauche ich nicht zu haben. Ich habe eh nichts ausgelassen. Ich habe mir immer gegönnt, was ich wollte. Außerdem denke ich mir: Sterben oder tot sein ist wie Schlafen und ich schlafe sehr gerne.

Was ist das Durchschnittsalter ihres Publikums, wenn Sie nicht gerade in einem Pensionisten-Wohnhaus spielen?

Jazz Gitti: Kann ich nicht sagen – das ist von bis. Für mich zählt kein Alter. Entweder man ist gut drauf, oder man ist eine Zwiderwurzen. Beim Konzert im Haus Hohe Warte waren auch zwei junge Madeln. Sie haben gesagt: „Wir wollten dich sehen.“ Meine Enkelin ist 21, die war auf der Donauinsel mit ihren Freunden. Denen hat es getaugt, die sagen: „Die Oma ist cool.“

Auf der Bühne bin ich vielleicht ein Star. Aber daheim bin ich die Gittl.

Sind Sie auch privat so lebensfroh und lustig, wie Sie sich auf der Bühne geben?

Jazz Gitti: Ich bin ein ganz normaler Mensch. Auf der Bühne bin ich vielleicht ein Star. Aber daheim bin ich die Gittl. Da bin ich nix Besonderes. Wenn ich zwider bin, merkt man mir das an und da redet mich eh keiner an.

Fällt es Ihnen schwer, auf der Bühne immer gut drauf zu sein?

Jazz Gitti: Wenn ich weiß, dass ich ein Konzert habe, geht es mir gut. Ich mach das gern. Ich fühle mich wohl, ich freu mich, ich liebe Menschen. Die Leute vergessen für eine Stunde ihre Sorgen und machen irgendeinen Blödsinn, den sie sonst vielleicht nicht machen würden. Das freut mich, das ist positive Energie. Auf der Bühne bin ich nicht zwider.

Sie haben schon öfter in den Häusern zum Leben gespielt. Könnten Sie sich vorstellen, einmal in ein Pensionisten-Wohnhaus zu ziehen?

Jazz Gitti: Weiß ich nicht. Ich habe schon ein paar Angebote bekommen. Heute vielleicht nein, morgen vielleicht ja. Also in den Pensionisten-Wohnhäusern, in denen ich gespielt habe, war das Essen hervorragend, die Lokalitäten waren schön. Man hat jederzeit ärztliche Betreuung, wenn man sie braucht.

In den Häusern zum Leben gibt es verschiedenste Freizeitangebote – ich nenne Ihnen drei Beispiele: Malen, Gedächtnistraining, Sitzgymnastik. Wo würden Sie am ehesten mitmachen?

Jazz Gitti: Ich würde die Gymnastik noch im Stehen machen. Wahrscheinlich würde ich alles einmal ausprobieren und dann weiterschauen.

Mick Jagger ist heuer 80 geworden und steht noch auf der Bühne – wie lang wollen Sie noch Konzerte spielen?

Jazz Gitti: Ich weiß es nicht: Solange ich kann und solange es mir Spaß macht. Ich bin erst mit 40 ins Showbusiness gegangen – ein Alter, in dem andere schon aufhören. Davor habe ich nur in Lokalen gesungen. Ich habe jahrelang gesagt: „Singen ist doch kein Beruf!“ Wenn ich gewusst hätte, wie viel Spaß das macht, hätte ich früher angefangen.

Zur Person

Jazz Gitti (bürgerlich Martha Margit Butbul) wurde am 13. Mai 1946 in Wien geboren. Vor ihrer Gesangskarriere war sie Kellnerin und Lokalbesitzerin. Ihre Musikkarriere startete sie Anfang der 1980er-Jahre mit der Band Drahdiwaberl, ehe sie ihre eigene Band „Jazz Gitti & her Discokillers“ gründete. „A Wunda“, „Kränk di net“ oder „Tramway foarn“ zählen zu den bekanntesten Hits der Schlagersängerin. Jazz Gittis einzige Tochter Shlomit Butbul ist ebenfalls Sängerin.

Am 13. September 2023 spielt Jazz Gitti zum Abschluss ihrer diesjährigen Tournee in den Häusern zum Leben im Haus Wienerberg: Mehr Infos

Nachlese: Jazz Gitti spielt in den Häusern zum Leben