Erdäpfel, Nudeln und Reis vom Vortag haben weniger Kalorien
Bei solch einer Aussage sollte man doch eine eindeutige Empfehlung für den Verzehr von Essen vom Vortag vermuten? Andererseits hört man von Beschwerden, wie Blähungen und Bauchkrämpfen, wenn beispielsweise Erdäpfel erneut erwärmt werden oder vorgekochte, vakuumierte Erdäpfel zum Einsatz kommen. Was steckt nun dahinter?
Kohlenhydrate bestehen je nach deren molekularer Zusammensetzung aus unterschiedlichen Zuckerarten, wie Einfachzucker (Monosaccharide), Zweifachzucker (Disaccharide) oder Vielzucker (Polysaccharide). Zweifachzucker werden im menschlichen Körper während des Verdauungsprozesses mit Hilfe von Enzymen in Einfachzucker zerteilt und als solche im Dünndarm aufgenommen. Vielfachzucker, auch bekannt als Stärke, werden je nach deren Struktur nur teilweise in Einfachzucker zerteilt und aufgenommen.
Andere Teile, die sogenannten Ballaststoffe, werden nicht verdaut (nicht gespalten) und damit auch nicht im Dünndarm als energieliefernde Nährstoffe aufgenommen. Diese Ballaststoffe gelangen in den Dickdarm, wo sie als Nahrung (Präbiotikum) für die gesunden Darmbakterien dienen und damit unser Mikrobiom (auch bekannt unter Darmflora) aufbauen und aufrecht erhalten. Dies wiederum sorgt allgemein für einen gesunden Organismus, da unser Mikrobiom einen starken Einfluss auf unseren gesamten Körper und damit auf unsere Gesundheit hat.
Bei den stärkehaltigen Lebensmitteln „vom Vortag“ – genauer gesagt beim Abkühlen dieser gekochten Lebensmittel – kommt eine ganz besondere Form von Ballaststoffen ins Spiel…
…die resistente Stärke
Die resistente Stärke ist eine Form von Stärke bzw. Ballaststoffen, welche wie oben beschrieben, unverdaut in den Dickdarm gelangen und die Darmflora unterstützen. Mittels Fermentierung durch die Darmbakterien entstehen kurzkettige Fettsäuren, die wiederum entzündungshemmend wirken und so ebenfalls die Darmschleimhaut stärken.
Unterteilung in 5 Typen – je nach Vorkommen bzw. Entstehungsart:
Zwei Arten der resistenten Stärke kommen von Natur aus in Lebensmitteln vor, wie z.B. in Hülsenfrüchten, (Vollkorn-)Getreide, rohen Kartoffeln, (unreifen) Bananen oder Samen und Saaten. Stärkehaltige Lebensmittel, wie Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Reis oder Teigwaren müssen erst gekocht werden, damit die enthaltene Stärke aufquellen und von den Verdauungsenzymen aufgespalten bzw. im Darm resorbiert werden kann. Nach dem Abkühlen dieser kohlenhydratreichen Lebensmittel, verändert die Stärke ihre chemische Struktur. Dabei bildet sich teilweise eine weitere Art der resistenten Stärke. Die Speisen müssen vollständig ausgekühlt sein. Der Umwandlungsprozess zu resistenter Stärke dauert etwa zwölf bis 24 Stunden. Durch erneutes Erwärmen dieser Speisen bleibt die resistente Stärke weitgehend erhalten.
Zwei weitere Arten der resistenten Stärke beziehen sich auf industriell chemisch modifizierte Stärken in bestimmten Brotbackwaren, Kuchensorten sowie Desserts, Saucen und Dressings. Diese modifizierte Stärke wird als Verdickungs- und Stabilisierungsmittel eingesetzt.
Wirkung der resistenten Stärke im menschlichen Körper:
Neben dem positiven Effekt auf das Mikrobiom und damit auf die Darmgesundheit hat die resistente Stärke weitere gesundheitliche Vorteile.
Durch den Umbau der Stärke in resistente Stärke, also in Ballaststoffe, nach dem Abkühlen von Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Reis und Teigwaren, erhöht sich der gesamte Ballaststoffanteil in dem jeweiligen Lebensmittel und verlängert damit den Verdauungsprozess. Jener Stärkeanteil, welcher während der Verdauung in kleine Zuckerteilchen (Glukose) zerteilt wird, verringert sich damit. Es folgt ein verzögerter und geringerer Blutzuckeranstieg.
Die teilweise Umwandlung in resistente Stärke reduziert jenen Stärkeanteil, welcher zur Energiegewinnung herangezogen wird. Daraus resultiert die geringere Kalorienzufuhr mit abgekühlten Speisen vom Vortag.
Die Steigerung des Ballaststoffgehalts und Verlängerung des Verdauungsprozesses führt des weiteren zu einer rascheren und länger anhaltenden Sättigung, was zu einer insgesamt geringeren Essenmenge und damit Kalorienzufuhr führen kann.
Unterschiedliche Studien zeigen, dass der Anteil der resistenten Stärke nach dem Kochen sinkt und nach dem Abkühlen (zwölf bis 24 Stunden) wieder ansteigt. Nachdem die prozentuellen Angaben hier von Studie zu Studie stark variieren, wird in diesem Artikel von Mengenangaben Abstand genommen. Auch die eindeutige Mengenangabe zur Blutzuckerreduktion und dem Kalorienverlust nach dem Abkühlen der Speisen fehlt aktuell und wird hier nicht angeführt.
An dieser Stelle ist außerdem anzumerken, dass die positiven Effekte, wie höhere und längere Sättigung sowie die Blutzuckerregulierung, im Allgemeinen allen Ballaststoffen zuzuschreiben sind!
Einsatz und Empfehlung
Eine explizite Empfehlung für einen erhöhten Konsum von resistenter Stärke, durch beispielsweise vermehrten Verzehr von „Essen vom Vortag“ gibt es aktuell nicht. Ein „Resteessen“ allein führt nicht zu einer Gewichtsreduktion. Hier ist eine umfassende Anpassung der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten erforderlich.
Die aktuelle Empfehlung bezieht sich auf eine Gesamt-Ballaststoffzufuhr von etwa 30 g pro Tag. Hier sind alle Arten von Ballaststoffen zusammengefasst.
Um diesen Bedarf zu decken, könnte ein Tag in etwa wie folgt aussehen:
Eine Portion Müsli oder Getreidebrei, ca. 3 Stück Erdäpfel (oder vergleichbare Menge Reis, Teigwaren), eine große Portion Gemüse und Salat, 1-2 Stück Obst und ca. 3 Scheiben Vollkornbrot.
Bei ballaststoffreicher Ernährung ist stets auf zusätzliche Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige Bewegung zu achten, um Verdauungsbeschwerden, wie Blähungen, zu vermeiden.
Zusammenfassend kann man sagen:
„Erdäpfel, Nudeln und Reis vom Vortag haben weniger Kalorien.“ – ja das stimmt… allerdings scheint die Auswirkung so gering zu sein, dass es kaum Relevanz für eine konkrete Empfehlung für den bewussten Konsum resistenter Stärke hat!
Resistente Stärke hat, wie auch andere Ballaststoffe viele Vorteile auf Verdauung, Sättigung und unsere allgemeine Gesundheit.
Es bleibt daher bei der allgemeinen Empfehlung einer ausgewogenen, ballaststoffreichen Ernährung.
Text: Claudia Bachmann, Diätologin Häuser zum Leben
Foto: Pixabay
Quellen:
Österreichische Gesellschaft für Ernährung
Sipcan: Initiative für ein gesunde Leben
Ernährungsblog
Im Ernährungsblog klären die Diätolog*innen der Häuser zum Leben über wichtige Ernährungsthemen auf. Einmal monatlich erscheint ein Blogbeitrag.