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Senior*innen des Klub+ WITRF-Gehörlosenklub

Lautloses Klubgeschehen. Der Klub+ WITAF-Gehörlosenklub

Anlässlich des Internationalen Tages der Gebärdensprache am 23. September besuchte Geraldine Smetazko, Fachexpert*in für Diversität in den Häusern zum Leben, unseren Klub+ WITAF-Gehörlosenklub in der Kleinen Pfarrgasse. Ihre dortigen Erlebnisse sowie die Begegnung mit unseren Klubbetreuer*innen und Mitgliedern schilderte sie in einem bewegenden Bericht:

Es ist ein regnerischer Tag, richtig herbstlich. Ich gehe zu Fuß vom Büro zum WITAF-Gebäude im 2. Bezirk. Im dritten Stock angekommen werde ich von Stille umhüllt – bin ich hier richtig? Am Boden stehen zahlreiche aufgespannte Regenschirme – hier müssten doch mehr Leute sein! Und schon höre ich ein Geschirrklirren aus offenen Türen. Ich betrete das Klublokal und sehe: Es mag leise sein, aber die Klubbesucher*innen sind fast alle in Gespräche vertieft. Sie unterhalten sich mit Gestik und Mimik auf ihrer Sprache – der österreichischen Gebärdensprache. Seit 2005 ist die österreichische Gebärdensprache als eigenständige Sprache gesetzlich anerkannt. Entwickelt hat sie sich aber bereits seit dem 18. Jh. Ich selbst bin ihrer bis auf „Hallo“, „Danke“ und „Applaus“ nicht mächtig, deswegen suche ich nach Markus, Ehrenamtlicher und Dolmetscher, mit dem ich mir auch telefonisch diesen Termin ausgemacht habe. Leider ist er auf den ersten Blick nicht zu finden, also zücke ich mein Notizbuch: „Hallo, ich heiße Geraldine (Zentrale), suche Markus (Termin).“ Die Klubbetreuerinnen warten geduldig bis ich fertig bin. „Ah, warte bitte“ sagt mir die Kollegin und macht sich auf die Suche. Ich schaue mir in der Zwischenzeit das Klublokal genauer an. Es schaut eigentlich nicht anders aus, als in anderen Klubs. Bis auf den tollen Tresen mit Vitrine vielleicht. Ein Fernseher zeigt eine Parlamentsdebatte mit Untertiteln, ein Herr liest Zeitung, an einem Tisch wird Karten gespielt, der Rest unterhält sich. Markus kommt durch die Türe und wir starten gleich los. Wir setzen uns an einen Tisch, er zu meiner Linken und uns gegenüber Klubbetreuerin Martina. Mit seiner Hilfe kommen wir ins Gespräch. Denn in diesem Klub sind nicht nur die Besucher*innen, sondern auch die drei Klubbetreuer*innen gehörlos. Martina ist seit über 20 Jahren im Klub tätig und es gefällt ihr sehr: „Ich habe mich immer schon gerne mit älteren Menschen unterhalten, über Markus habe ich dann diesen Job gefunden.“ Davor war sie als Schneiderin tätig und musste im Akkord arbeiten, was keine schöne Arbeit gewesen sei. Sie erzählt mir vom umfassenden Programm, das der Klub anbietet: Ausflüge, Vorträge, Filme, Sport, Nordic Walking im benachbarten Augarten, LIMA, Trommeln – ich werde stutzig und frage nach: „Trommeln? Wie funktioniert das ohne zu hören?“ Martina erklärt mir geduldig, dass es wunderbar funktioniert, man spüre die Töne. Angesprochen auf die Zukunft gebärdet die 58-Jährige scherzhaft, dass sie auch in ihrer Pension weiterhin in den Klub kommen wird, allerdings wird man dann ihr den Kaffee servieren statt umgekehrt.

  • Imagebild Hände beim Trommeln.

Als zweites darf ich mit Alexandra sprechen, die im Klub nur „Sandra“ genannt wird. Sie ist etwa im selben Alter wie Martina und wurde von ihr vor 9 Jahren auf die offene Stelle im Klub aufmerksam gemacht. Davor war die gelernte Buch- und Offsetdruckerin in dieser Branche tätig. Sie erzählt, dass sie – wie übrigens auch Martina – auch im früheren Job gehörlose Kolleg*innen hatte. „Geplaudert haben wir eigentlich nur untereinander, dienstliche Dinge haben wir klarer Weise auch mit hörenden Kolleg*innen besprochen. Bei der Weihnachtsfeier haben wir uns dann immer bemüht, auch die Hörenden zu inkludieren“, erzählt sie von der Kommunikation im alten Unternehmen. Auf das Angebot im Klub angesprochen schwärmt sie regelrecht von den vielen kulturellen Aktivitäten, die sie mitunter auch mit hörenden Klubs unternehmen „und Markus ist immer mit dabei und übersetzt“. Auch bei Großveranstaltungen wie der 80-Jahr-Feier im Rathaus sei der Klub+ der Kleinen Pfarrgasse selbstverständlich mit dabei. Schließlich gibt es diesen Klub bereits seit der „Wärmestuben“-Zeit nach dem Krieg, seit 1966 ist er offizieller Pensionist*innenklub.

Zum Abschluss war mein Vorhaben eigentlich, drei kurze Fragen mit kurzen Antworten zu bekommen. Dabei haben sich überraschende Dinge aufgetan, die dann doch etwas mehr Platz brauchen:

Ist es okay, „taub“ zu sagen?

Für Martina ist es egal, ob man „taub“ oder „gehörlos“ sagt. „Was man keinesfalls sagen sollte, ist ‚taubstumm’“, fügt Markus hinzu. Für Alexandra hingegen hat auch „taub“ einen negativen Beigeschmack: „Wenn mir mein Arm einschläft, ist er auch ‚taub‘, das ist ja nichts Schönes.“ Sie bevorzugt „gehörlos“.

Was sollten Hörende im Kontakt mit Gehörlosen beachten?

Martina erzählt, dass es ihr im Alltag unter Hörenden manchmal passiert, dass sie angesprochen wird, woraufhin sie lautlich sagt, dass sie taub ist, und sich dann die Leute einfach umdrehen und weggehen. Das sei einfach nicht besonders nett. Sie würde sich wünschen, dass sich Hörende in solchen Situationen dann trotzdem bemühen, zu kommunizieren. Markus erklärt, wie das am einfachsten gelingen kann: „Kurze Sätze, das erleichtert das Lippenlesen. Alternativ kann man auch Schreiben – auf einem Zettel oder heutzutage auf Handys, die eh immer mit dabei sind. Wenn ich eine gehörlose Person auf mich aufmerksam machen will, sollte ich ihr nur auf die Schulter tippen. Die Schulter ist die dezidierte Körperstelle dafür, man sollte gehörlose Menschen nicht ungefragt irgendwo anders angreifen.“ Alexandra ergänzt: „Große Mimik einsetzen, Gesten verwenden. Wenn jemand wissen möchte, wie spät es ist, kann er*sie auf eine fiktive Uhr am Handgelenk tippen und fragend schauen.“ Das ist keine offizielle Gebärde, aber es ist wohl universell verständlich.

Wenn die Gebärdensprache deine Erstsprache ist: Was war deine erste Gebärde?

Sowohl Martina als auch Alexandra – beide Mitte/Ende 50 – erklären mir, dass sie erst im Jugendalter Gebärdensprache gelernt haben, obwohl sie von Geburt an gehörlos sind. Es sei damals Tabu gewesen, man sei als gehörlose Person gezwungen worden, sich an Hörende anzupassen, Lippenlesen und Lautsprache zu lernen. Dementsprechend haben beide keine besonders schönen Erinnerungen an ihre Kindheit und Schulzeit. Erst mit dezidiert für Gehörlose zugeschnittene Formate wie dem Gehörlosen-Sportverband in der Lehrzeit oder der Gehörlosenschule wurde es für sie möglich, tatsächlich auf Augenhöhe mit anderen zu kommunizieren, auf ihrer eigenen Sprache. Seitdem haben sich die Zeiten für Gehörlose glücklicherweise sehr geändert. Alexandra erzählt, sie hat das mit ihrem zweiten Kind gemerkt: „Wie er in den Kindergarten gekommen ist, war Interesse für Gebärdensprache da. Die Kindergartenpädagog*innen haben nachgefragt und ein paar Gebärden gelernt, um gut mit mir kommunizieren zu können. Auch die anderen Kinder und Eltern haben mitgemacht.“ Das war zur Jahrtausendwende. „Die letzten 10-15 Jahre wurde dann der Turbo eingeschalten, da hat sich sehr viel zum Positiven verändert, auch gesellschaftlich. Viele Hörende können jetzt zumindest ‚danke‘ gebärden, das ist auch schon etwas, das freut mich und darf ruhig mehr werden.“ Möge dieser Turbo auch weiter wirksam sein.

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