Arbeiten am Jüdischen Friedhof Rossau

Stein für Stein: Der Wiederaufbau des Jüdischen Friedhofs Rossau

Jedes Jahr wird eine Woche lang hinter dem PensionistInnen-Wohnhaus Rossau gegraben. Denn hier befindet sich der älteste jüdische Friedhof Wiens. Nach und nach und mit großer Sorgfalt werden verscharrte Grabsteine ausgegraben und wieder aufgestellt.

Hinter dem Verwaltungsgebäude der Häuser zum Leben und dem angrenzenden Haus Rossau befindet sich der älteste Friedhof Wiens: der rund 2000 Quadratmeter große Jüdische Friedhof Rossau (auch: Jüdischer Friedhof Seegasse). Er stammt aus dem 16. Jahrhundert. Bis 1783 diente er der jüdischen Gemeinde als Begräbnisstätte.

Juden retteten Grabsteine vor Nazis

1941 beschlossen die Nationalsozialisten die Auflösung aller jüdischen Friedhöfe in Wien – also auch jenes in der Rossau. Grabstätten wurden in der Folge geschändet, zahlreiche Grabsteine wurden zerstört. Den Juden und ihren Helfern gelang es aber, einige Grabsteine vor den Nazis zu retten. Manche Steine brachten sie zum Zentralfriedhof und versteckten sie dort. Manche vergruben sie vor Ort in der Seegasse.

Hinweis Jüdischer Friedhof Seegasse, angebracht an Pensionisten-Wohnhaus Rossau
Eine Gedenktafel am Haus Rossau weist auf den Jüdischen Friedhof hin.

Bis 1972 befand sich im Gebäude vor dem Friedhof ein Altersheim und Spital der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Danach stand das Gebäude lange leer, schließlich wurde es abgerissen. Die Stadt Wien kaufte das Areal und baute das PensionistInnen-Wohnhaus Rossau, das 1983 eröffnet wurde. Auch die Betreuung des Friedhofes übernahm die Stadt. Nach Bezug des Seniorenheims wurden hunderte Grabsteine, die am Zentralfriedhof gefunden worden waren, an ihren Ursprungsort in der Seegasse zurückgebracht.

Historische Fotos Jüdischer Friedhof

Seit 2004 arbeitet die Stadt Wien im Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt an der Sanierung und Wiederherstellung des jüdischen Friedhofs. Jedes Jahr wird eine Woche lang mit größter Vorsicht und Sorgfalt nach den vergrabenen Steinen gesucht.

Rabbiner überwachen Grabungen

Überwacht werden die Grabungen von zwei Rabbinern von der Organisation Atra Kadisha, die extra aus Israel anreisen. Sie achten darauf, dass die Totenruhe nicht gestört wird. Atra Kadisha ist dafür zuständig, jüdische Friedhöfe auf der ganzen Welt zu erhalten. Zudem wohnt ein religiöser Aufseher aus Wien den Arbeiten bei.

„Sobald wir auf Leichenteile stoßen, hören wir sofort auf zu graben“, sagt Grabungsleiter Heinz Stöffler. Dann werden diese so schnell wie möglich bestattet, um den Toten wieder ihre Ruhe zu geben. Weil die Erde gut konserviere, seien noch immer Knochen erhalten, obwohl diese mehrere hundert Jahre alt sind.

Restauratoren setzen Grabsteine zusammen

Rund 300 Grabsteine befinden sich laut Stöffler aktuell auf dem Friedhof. „Wenn wir Glück haben, können wir die Hälfte der ursprünglich etwa 1000 Grabsteine wieder aufstellen.“ Manche Steine werden in gut erhaltenem Zustand gefunden. Manche müssen die RestauratorInnen aus vielen Teilen zusammensetzen.

Stöffler schätzt, dass man in ein bis zwei Jahren mit den Grabungsarbeiten fertig sein werde. Die Restaurierungsarbeiten werden seiner Meinung nach noch fünf bis sechs Jahre dauern.

BewohnerInnen-Information

Seit rund zwölf Jahren arbeitet Stöffler mit seinem Team in der Rossau. Heuer waren bis zu 20 Leute dabei. Im Rahmen der Grabungswoche informierte Stöffler interessierte BewohnerInnen des Hauses Rossau über den Stand der Arbeiten – siehe Video:

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Der Jüdische Friedhof Rossau wird nach einem relativ genauen Plan von Bernhard Wachstein aus den 1910er-Jahren rekonstruiert. Wachstein war Direktor der Bibliothek der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien.

Quellen und Link

Quellen
Traude Veran: Das steinerne Archiv – Der Wiener jüdische Friedhof in der Rossau. Mandelbaum-Verlag (2006)
Wien Geschichte Wiki
Video Jüdischer Friedhof Seegasse (Stadt Wien, 2013)
Isrealitische Kultusgemeinde Wien
Sensationsfund auf Wiens ältestem Jüdischen Friedhof Seegasse (Aussendung, Stadt Wien, 2013)

Historische Aufnahmen: August Stauda um 1904 (3), Verlag Reinhold Entzmann & Sohn, ca. 1906; Wien Museum

Link
Alexia Weiss: Steinepuzzle (wienerzeitung.at, 2020)

Besichtigung Jüdischer Friedhof Rossau

Der Jüdische Friedhof Rossau ist über das Verwaltungsgebäude der Häuser zum Leben in der Seegasse 9, 1090 Wien zugänglich. Er kann von Montag bis Donnerstag (jeweils 8 bis 16 Uhr) bzw. am Freitag zwischen 8 und 15 Uhr besichtigt werden.